UNAPOLOGETIC ist ein inklusives Tanzprojekt für junge queere und questioning Menschen, das von der Tanzcompagnie FLUX crew und zusammen mit dem lila. queer festival erarbeitet wurde. Die künstlerische Recherche hat Arlette, die choreografische Leitung des Stücks, bereits vor einigen Jahren begonnen. Die Idee, eine Eigenproduktion mit dem lila. zu machen, ist damals schon aufgetaucht und dieses Jahr wird die Idee zum ersten Mal umgesetzt. Das Projekt entsteht schweizweit und ist in vier verschiedene Standorte unterteilt: Bern, Luzern, Zürich und Basel. Zum Schluss werden die einzelnen Tanzcrews zusammenkommen und gemeinsam mit professionellen queeren Künstler*innen mit dem fertigen Tanzstück auf Tour gehen.
Was ist das Ziel des Projekts UNAPOLOGETIC?
Pia (sie/ihr, Leitung Standort Bern): Das Bedürfnis ein solches Stück zu machen, kommt aus der Kritik, dass die Tanzszene immer noch sehr heteronormativ geprägt ist und queere Körper und Sichtweisen oft davon ausgeschlossen werden. Wir wollen einen queeren Safer Space kreieren, in dem dann eben diese queeren Körper und Sichtweisen zelebriert werden und damit mehr verschiedenen Menschen den Zugang zu einem Tanzprojekt ermöglichen. Wir versuchen auch, den künstlerischen Arbeitsprozess diskriminierungsarmer und inklusiver zu gestalten. Für die Teilnehmenden wünschen wir uns, dass sie in ihrem Selbst, auch durch den Kontakt zu anderen queeren Menschen, gestärkt werden. Am Schluss entsteht ein abendfüllendes Bühnenstück, mit welchem wir auf Tour gehen, um so auch mehr Menschen den Zugang zum Projekt zu ermöglichen.
Tabea (keine/they, Co-Leitung Standort Bern): Das Hauptziel ist ein Space zu schaffen, wo Sensibilität für gewisse Themen herrscht. Aber auch ein Space, wo junge Queers Anschluss zur Community finden und wo mensch einen Ort hat, um sich zu verwirklichen. Im Kapitalismus hat «Selbstverwirklichung» oft einen fahlen Beigeschmack, weil es meist Kapital und viele Privilegien bedingt. Aber wenn es um Queerness oder das Ausleben von Identitäten geht, ist es wichtig einen Raum zu haben, wo mensch sich ausprobieren kann. Gerade zum Beispiel bei Dingen wie Gender-Expression: Mensch hat hier einen Raum, wo mensch sich auf sich konzentrieren kann und nicht Angst haben muss, dass mensch sich mit negativen Reaktionen auseinandersetzen muss.
Was bedeutet das Projekt für dich? Pia: Für mich ist es ein Projekt, auf welches ich mich schon lange gefreut habe. Und bis jetzt sind für mich die Proben mit sehr viel (queerer) Freude verbunden.
Tabea: Für mich ist es ein mega wichtiges Projekt, weil wir versuchen ein Safer Space zu sein für Menschen, welche das an anderen Orten nicht so erleben. Ich wünschte mir, dass es viel mehr solche Spaces gäbe, und ich wünschte mir, dass ich Zugang zu solchen Spaces gehabt hätte, als ich jünger war. Andererseits ist auch da meine Hoffnung, dass es das irgendwann nicht mehr so explizit bräuchte.
Was wird im Tanzstück behandelt? Pia: Thematisch setzen wir uns im Projekt mit Schönheitsnormen, respektive Körperdiskriminierung, auseinander.
Tabea: Ich denke, dass es ein sehr gutes Thema ist, um sich mit sich selbst und mit der Innen- und Aussenwahrnehmung auseinanderzusetzen. Gesellschaftliche Schönheitsnormen haben einen grossen Einfluss auf Queerness und die Entwicklung von queeren Menschen, weil uns oft vermittelt wird, wir müssten einem speziellen Bild oder irgendwelchen queeren Klischees entsprechen. Daneben existieren auch noch die klassischen gesellschaftlichen Schönheitsideale, die dem «queeren Schönheitsideal» manchmal widersprechen können. Daher finde ich es einen guten Approach, wenn wir einen Safer Space anstreben, indem mensch die eigenen Schönheitsideale und die der Normgesellschaft reflektieren kann und Raum hat, um auszuprobieren, was einem gefällt und warum.
Was verbindet Queerness mit Tanz? Pia: Queerness ist ein Teil von mir und Tanzen ist ein Teil von mir und deswegen ist es für mich verbunden.
Tabea: Für mich persönlich hat Tanzen nicht direkt etwas mit Queerness zu tun, respektive ich habe selbst nicht viel mit Tanzen am Hut. Trotzdem habe ich durch meine eigenen Erfahrungen mit Drag-Performances gemerkt, dass Tanz oder Bewegung ein gutes Mittel sein kann, Gefühle aber auch andere Themen darzustellen und sich selbst damit auseinanderzusetzen. Darum finde ich, dass Tanzen ein gutes Mittel ist, um Queerness, Gender-Expression und Körpergefühl, aber eben auch unser Leitthema Schönheitsideale zu thematisieren.
Das Leitungsteam ist intersektional aufgebaut und es gibt verschiedene Massnahmen, um Diskri- minierung zu reduzieren. Wozu braucht es das? Arlette (sie/ihr, Choreografische Leitung):
Diskriminierung entsteht auf verschiedenen Ebenen: Persönlich, institutionell, strukturell und historisch. Es ist schwierig, einen diskriminierungsarmen Ort zu schaffen, da Diskriminierung auf vielen Ebenen existiert. Es reicht nicht aus, sich vorzunehmen, nichtdiskriminierend zu sein. Viele diskriminierende Gedanken und Handlungen passieren automatisch und unbewusst. Um dagegen vorzugehen, haben wir verschiedene Massnahmen getroffen.
Unter anderem sind in der Organisation Menschen aus verschiedenen Gruppen auf allen Ebenen vertreten und wir beschäftigen ein Team von Coaches. Sie sind Ansprechpartner*innen für diejenigen, die von Diskriminierung betroffen sind, aber sie haben auch die Befugnis, zum Beispiel Proben zu stoppen, wenn sie Diskriminierung bemerken. Sie beraten das Team mit einem antidiskriminierenden Blick. Die Aufklärungsarbeit wird somit von betroffenen Tänzer*innen, die eigentlich mitmachen, um Spass zu haben, auf Personen verschoben, die für diese Arbeit angestellt und bezahlt werden. So ein Team von spezialisierten Coaches erhöht die Chance, dass mit der Zeit neue, weniger diskriminierende Strukturen innerhalb unserer Tanz- produktion entstehen können. Strukturen, die wir uns jetzt vielleicht noch gar nicht vorstellen können.
Tabea: Ich bin der Meinung, dass es immer wertvoll ist, solche Coaches zu haben, die eine Aussenperspektive reinbringen. Ein Coach sagte nach der letzten Probe: «Ich habe das Gefühl, bei euch muss ich wahrscheinlich gar nicht vorbeikommen». Und da ist auch wieder eine sehr grosse Gefahr dahinter. Wir machen bereits vieles gut, aber auch wir machen noch Fehler. Nur weil mensch selbst von Diskriminierung betroffen ist, heisst das nicht, dass mensch auch diskriminierungssensibel ist. Ich als nicht-binäre Lesbe of Color bin genauso rassistisch, abelistisch, sexistisch und queerfeindlich sozialisiert worden wie alle anderen Menschen. Ich würde behaupten, dass ich sensibler sei als die Mehrheitsgesellschaft, aber auch ich mache noch viele Fehler, reproduziere diskriminierende Verhaltens- weisen oder Gedanken und lerne weiter dazu.
Ich selbst darf auch Teil des Projekts sein und probe wöchentlich mit meiner Crew in Bern. In den Proben bewegen wir uns, lernen verschiedene Sachen aus dem Breaking (Eigenbezeichnung für den als Breakdance bekannten Tanzstil des Hip-Hops) und zeitgenössischen Tanz oder entwickeln unsere eigenen Ideen weiter. Oft reden wir auch einfach, tauschen uns über Schönheiten, Erwartungen und Queerness aus und wie das alles zusammenspielt. Wie auch für Tabea, ist es für mich vor allem ein Safer Space, um Bewegungen auszuprobieren und seinen Körper auf neue Art kennenzulernen, möglichst ohne Ängste, möglichst ohne Grenzen. Ein Ort, um gemeinsam zu entdecken.
Mehr Infos findest du auf der Website oder dem Insta-Account der FLUX crew:
Save the date:
Sa 14.09.2024 (20:00) lila. queer festival im Fabriktheater Zürich
So 13.10.2024 (15:00) Neubad Luzern
Fr 25.10.2024 (20:00) Grosse Halle Reitschule Bern
Sa 26.10.2024 (20:00) Grosse Halle Reitschule Bern
So 27.10.2024 (20:00) Grosse Halle Reitschule Bern
Do 7.11.2024 (morgens) Aufführung für Schulklassen im Tanz Haus Basel
Fr 8.11.2024 (morgens & 20:00) Aufführung für Schulklassen und Abendvorstellung im Tanz Haus Basel