Meine Familie und ich sassen gemeinsam am Mittagstisch, als ich es einfach nicht mehr aushielt. Ich sagte zu meiner damals zehnjährigen Schwester: «Du, ich muss dir etwas sagen. Ich habe realisiert, dass ich gerne als Junge leben möchte. Das Mädchen-Sein stimmt für mich nicht.» Sie hörte zu und meinte nur «okay», noch leicht verwirrt. Ich erzählte weiter: «Mein neuer Name ist Louis». Sie stand auf, kam zu mir und meinte: «Wie cool, dann habe ich jetzt neu einen grossen Bruder», dann fragte sie: «Magst du denn nun mit einem Mädchen oder einem Jungen zusammen sein?». Auf diese Frage war ich gar nicht vorbereitet und meinte nur, dass ich das noch nicht so genau wisse, vermutlich käme es mir nicht so darauf an. Daraufhin umarmte sie mich.
So einfach kann es doch sein mit dem Outing. Ich weiss, dass es da ganz viele andere Geschichten gibt, ich kenne sie selbst auch, aber genau deswegen möchte ich mich auf die guten Erfahrungen fokussieren. Meine ersten Outings sind nun bereits sieben Jahre her und seither sind etliche dazugekommen. Trotzdem macht mich ein Coming Out doch jedes Mal wieder nervös und ich zögere es teils ungewollt lange hinaus, bis ich es dann nicht mehr aushalte. Genau in solchen Momenten denke ich gerne an die positiven Erfahrungen zurück, einfach weil ich mich so bestärkt und angenommen gefühlt habe. Ich denke daran zurück, um zu lernen, dass es nichts Schlimmes ist, mich zu zeigen, um zu merken, wie viele Male ich es schon gekonnt habe und wie tolle Menschen ich habe, die hinter mir stehen. Ich möchte einige dieser Momente gerne teilen und habe auch andere nach ihren schönsten Erfahrungen gefragt. Es soll euch ermutigen, euch zu zeigen, wie ihr seid und den Gedanken des teils doch beängstigenden Outings zu mindern. Falls es beim ersten Mal nicht so gut gelaufen ist, dann gibt es noch unzählige Chancen, in denen es um einiges besser laufen kann. Gleichzeitig darf es auch gerne als Inspiration für Angehörige, Allys etc. gesehen werden, wie einfach eine positive Reaktion eigentlich sein kann.
Ich war noch nicht lange im engsten Freund*innenkreis geoutet, als ich beschloss, dass ich nun neue Kleidung brauche, die zu mir passt. Da ich mich noch nicht in die «Herrenabteilung» in Kleidergeschäften traute, bestellte ich mir einige Klamotten bei Zalando. Als sie ankamen, war ich komplett überfordert und wusste nicht, was mir denn nun überhaupt steht. Ich fragte meine Freundinnen, ob ich ihnen Fotos schicken kann. Daraufhin meinte eine, dass wir uns doch bei ihr zu Hause treffen und eine Modenschau veranstalten können. Ich solle dann die Kleidung anziehen, vorführen und sie würden mich beraten. So taten wir das dann auch und der Moment war einfach so schön, weil ich durch diese Geste so viel Support gespürt habe und ich danach die ersten neuen Kleidungsstücke in meinen Schrank einräumen konnte.
– Louis
Als ich mich bei meiner Oma geoutet habe, sagte sie, dass sie sich das schon länger gedacht hatte. Sie schloss mich in die Arme und weinte. Dann fragte sie, ob ich ihr helfen könne, meinen neuen Namen in ihrem Handy bei den Kontakten abzuspeichern.
– Liam
Mir ist sehr im Kopf geblieben, als ich recht frisch geoutet (als transmasc) im Ausgang war. Irgendwelche Männer haben, glaube ich sexistische Kommentare über mich gemacht. Ein Kollege, den ich an diesem Abend kennengelernt habe, ist daraufhin zu ihnen hingegangen und hat klargestellt, dass ich ein Typ bin. Daraufhin waren die anderen dann still. Das ist ca. 3 Jahre her und für mich war das irgendwie herzig. Besonders darum, weil es einer der ersten Momente war, wo jemensch für mich und dafür wer ich bin, eingestanden ist. Es hat einfach gereicht, dass ich dem Typen beim Hallo-Sagen meine Pronomen nannte.
– Tale
Ich hatte ein schönes Erlebnis mit meiner 93-jährigen Nachbarin. Wir sprechen ab und an im Treppenhaus, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen. Ihr ist offenbar meine Veränderung aufgefallen. Anstatt mich blöd zu fragen, fragt sie nochmal nach meinem Namen. Sie kannte mich noch unter meinem Deadname, ich sagte ihr jedoch, dass ich mich jetzt anders nenne. Darauf meinte sie nur, diesen Namen könne sie sich besser merken. Wir haben uns dann auch wieder getroffen und sprachen über dies und das. Beim letzten Mal hatte ich ein Kärtchen im Briefkasten. Auch da nichts bezüglich meiner Transition. Nur, dass sie mir sagen wolle, dass ich eine freundliche, positive Ausstrahlung hätte und es immer schön sei mit mir zu sprechen und sie mir alles Glück der Welt wünsche. Ich war so gerührt, da heisst es doch sonst immer ältere Menschen hätten kein Verständnis.
– Miro
Meine Schwester ist sehr modebewusst und «Fashionista». Als ich mich geoutet habe, hat sie mit mir zusammen ein Pinterest-Board mit den verschiedensten Outfits erstellt, damit ich meinen Style finden konnte.
– Jules