KOMMENTAR DES MILCHJUGENDVORSTANDS & DER GESCHÄFTSSTELLE:
Vielen Dank für die sorgfältig ausformulierte Kritik. Wir als Vorstand und Geschäftsstelle schätzen es sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, Kritik aufzuschreiben und im Milchbüechli zu publizieren. Wir werden auf einige Abschnitte eingehen, damit gewisse Teile der Kritik kontextualisiert werden und wir sichtbar machen können, was wir schon ausgearbeitet haben und wo wir stehen. Grundsätzlich befindet sich die Milchjugend als ganzer Verein, der Vorstand und die Geschäftsstelle, wie auch wir alle als Individuen (da wir alle Teil dieses Vereins sind), in einem konstanten Spannungsfeld, da Ressourcen begrenzt sind. Wie diese Ressourcen eingesetzt werden und wie was gewichtet wird, kann und soll diskutiert werden. Wer weitere Kritik hat, Fragen oder auch Lösungsansätze, kann uns die an info@milchjugend.ch schicken.
Als Milchbüechli haben wir die Aufgabe nicht nur Zustände ausserhalb der Community, sondern auch uns selbst zu kritisieren. Genau das möchte ich im folgenden Text tun. Er soll zwar klar Dinge kritisieren, ich möchte aber auch klarstellen, dass ich ein grosser Fan der Milchjugend bin und sie mir unzählige wunderschöne Erlebnisse beschert hat.
Ich hoffe, dass meine Punkte hier so respektvoll ankommen, wie sie gemeint sind. Die übergeordneten Kritikpunkte drehen sich rund um die Themen Wissenshierarchien, Intransparenz, Integration und einer meiner Meinung nach suboptimalen Verteilung von Ressourcen.
1. Was mir zu intransparent erscheint, ist der Aufbau der Organisation. Die Milchjugend hat einen Vorstand, bei dem mir zu wenig klar kommuniziert wird, was genau er macht. Was ist die Rolle des Vorstands? Worum kümmert er sich? Und damit verbunden ist die Frage: Was können Aktivisti vom Vorstand erwarten und wofür ist er nicht zuständig? Der Vorstand besteht aus einer gut eingespielten Gruppe von Menschen, die fast alle in Zürich leben und miteinander befreundet sind. Die Grenze zwischen der Organisation des Vereins und einer Freund*innengruppe ist nicht klar. Das ist aber in vielen Welten der Fall, nicht nur im Vorstand und der Geschäftsstelle. Ausserdem ist dadurch die Milchjugend ziemlich Zürich zentriert. Aufgrund dieser Dynamik von Freund*innengruppen kann es für neue Menschen schwierig sein sich zu integrieren. Neue Menschen müssten sich eigentlich zuerst mit allen Menschen in einer Welt befreunden, bevor sie bei der Milchjugend aktivistisch sein und Aufgaben übernehmen können. Auf der anderen Seite steht die eingespielte Freund*innengruppe, die meist überlastet ist und sehnlichst auf neue Mitglieder wartet. Zu viele Aufgaben lasten jeweils auf einem Mitglied und wenn dieses aussteigt, hinterlässt es eine grosse Lücke, die oft nicht oder nur mühsam gefüllt werden kann, weil die Strukturen der Milchjugend zu intransparent sind und sich neue Mitglieder eben schwer einfinden können. Dabei wird aussteigenden Mitgliedern teilweise noch (unwissentlich) ein schlechtes Gewissen gemacht und sie fühlen sich verantwortlich weiterzumachen. Deswegen nehmen sich die Mitglieder oft nicht zurück, überlasten sich und müssen dann irgendwann doch aussteigen. Diese Herausforderung ist jedoch lösbar, und zwar durch «Abbau der Wissenshierarchien». Damit ist gemeint, dass wir das Wissen darüber, wie die Milchjugend funktioniert idealerweise schnell an jüngere und neue Mitglieder weitergeben, damit diese, kleinere Aufgaben schon früh übernehmen und so organisch in die Gruppe hineinwachsen können.
In der Milchjugend wird aber viel zu wenig Energie darin investiert, ein System aufzubauen, bei dem neue Menschen die Milchjugend und deren Struktur verstehen und sich so einfinden können. Ein Verein ohne gegen aussen sichtbare Strukturen versinkt im eigenen Chaos und der konstanten Überforderung einzelner Mitglieder. Da sind die Burnouts nicht mehr weit.
KOMMENTAR DES MILCHJUGEND-VORSTANDS & DER GESCHÄFTSSTELLE:
Um gegen die Wissenshierarchien vorzugehen, die Milchjugend transparenter zu gestalten und Zuständigkeiten zu klären, hat der Vorstand ein Leitfaden erarbeitet, der Ende 2024 auf der Website und Teile davon auf Instagram publiziert wird. Uns ist es hier nochmals wichtig zu erwähnen, dass Menschen jederzeit bei der Milchjugend aufhören können und sollen. Wir schätzen es, wenn diese Prozesse proaktiv von beiden Seiten angegangen und gestaltet werden, falls das möglich ist. Denn die Frage der Nachhaltigkeit unserer Angebote ist immer präsent und nicht einfach zu lösen. Wir arbeiten daran, uns Strukturen anzunähern, in denen die von dir erwähnten Punkte Platz kriegen und wir uns verbessern können.
2. Nun zu einigen kleineren Kritikpunkten; Die Milchjugend ist ein Jugendverein und ich finde es äusserst irritierend, dass das Bild nach aussen nicht dem einer Jugendorganisation entspricht. Fast alle Menschen im Vorstand und in der Geschäftsstelle entsprechen nicht wirklich der Beschreibung «jugendlich». Mir ist klar, dass es unrealistisch ist, eine Organisation von nur Minderjährigen führen zu lassen, jedoch ist es schräg, dass keine Person jünger als zwanzig Jahre ist. Menschen, die näher an 30, als an 20 sind, würde ich nicht mehr unbedingt als jugendlich bezeichnen. Ich finde hier die Kommunikation gegen aussen irreführend.
KOMMENTAR DES MILCHJUGEND-VORSTANDS & DER GESCHÄFTSSTELLE:
Wir werden uns Gedanken darüber machen, ob das Wort «jugendlich» weiterhin passend ist. Grundsätzlich ist unser Angebot für Menschen zwischen 16 und 30. Es gibt unterschiedliche Definitionen und Auslegungen. Anmerkungen und Gedanken könnt ihr gerne an info@milchjugend.ch schicken. Wir werden an der nächsten Mitgliederversammlung unsere Überlegungen dazu teilen und gemeinsam entscheiden, welche Begriffe wir in Zukunft verwenden möchten.
3. Das zweite kleinere Thema ist die Mitgliederversammlung. Dort werden Abstimmungen über das Budget gemacht. Diese werden teilweise ins Lächerliche gezogen und meiner Meinung nach viel zu schnell durchgeführt. Das Budget ist ein wichtiger Punkt, der auch zur Transparenz einer Organisation beiträgt. In diesem Tempo Abstimmungen durchzuführen, heisst auch, dass die meisten Anwesenden nicht genau wissen, wofür sie abstimmen und dann kann mensch es auch gleich lassen.
KOMMENTAR DES MILCHJUGEND-VORSTANDS & DER GESCHÄFTSSTELLE:
Wir nehmen diese Kritik an und werden an der nächsten MV schauen, dass wir genügend Zeit für den finanziellen Teil einplanen.
4. Nun komme ich zum letzten, etwas grösseren Thema: der Ressourcenverteilung. Die Milchjugend macht immer wieder Projekte, wie zum Beispiel das lila. Festival (was natürlich ein super Event ist), die sehr aufwändig sind. Ich bekomme das Gefühl, dass der Fokus immer wieder auf Events liegt. Ich bin der Meinung, dass es erst dann angemessen ist Events zu hosten, wenn einige Voraussetzungen gegeben sind (da sind aber viele Menschen anderer Meinung).
Es müssten Dinge wie Awareness Weiterbildungen, Aufbau von Strukturen gegen Übergriffe und für deren Aufarbeitung, eine (anonyme) Meldestelle und Zugänglichkeit zuerst umfassend geklärt und kommuniziert sein, bevor mensch solche Events anbieten kann. Events sind kein Boden, um darauf diese Themen zu erarbeiten, denn dann ist es meistens schon zu spät. Für mich geht es hier um die Frage nach Verantwortung, wenn mensch ohne Struktur und Konzepte Veranstaltungen anbietet. Ich finde, dass hier die Energie an anderer Stelle zuerst gebraucht wäre.
Und nun könnte nach all dieser Kritik die Frage entstehen: Ja, weisst du denn wie es besser geht? Meine Antwort wäre: ja und nein. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie mensch so eine grosse Organisation führt. Aber ich sehe auch, dass viele Mitglieder immer wieder super Ideen haben, wie die interne Struktur verbessert werden könnte. Diese Ideen versinken jedoch leider im grossen Sumpf der Strukturlosigkeit.
Mein Lösungsansatz wäre, den Ideen der Menschen zuzuhören und mehr Ressourcen und Energie in den Aufbau einer klar kommunizierten internen Struktur zu investieren und Konzepte zu erarbeiten. Und dafür haben viele Menschen innerhalb der Milchjugend (und ja, auch ich) einige Ideen. Viele dieser Kritikpunkte können auch bei anderen Organisationen angebracht werden. Ich kritisiere hier eine Organisation, die sich vielen Themen auch bewusst ist und in gewissen Teilen sehr inklusiv ist. Ich hoffe, dass meine Kritik nicht in die falschen Hälse gerät und die Redaktion und ich sind ebenfalls offen für Gegenkritik, Fragen und Meinungen. Da ich diesen Text nicht anonym veröffentliche, findet ihr für alle Anliegen meine Emailadresse hier unten.