Animes und Cartoons, also Zeichentrickfilme und -Serien, begleiten mich schon seit ich 5 Jahre alt war: Ich wollte Blossom von den Powerpuff Girls sein und stand bei «Sailor Moon» mit Rock und Zauberstab vor dem Fernseher. Dass Sailor Neptun und Sailor Uranus eine Beziehung führten, fand ich erst später heraus. Im Nachhinein war das aber genauso wenig überraschend wie der Fakt, dass westliche Medien die Queerness von Figuren vertuschen. Denn queere Figuren in Cartoons gibt es schon lange, nur eben versteckt. Bis 1967 war es in den USA sogar verboten, Queers offen in den Medien zu zeigen und danach waren bis in die 90er mehrheitlich Bösewicht*innen queer.

Hypersexualisierte Stereotypen der 2000er

Mit der Jahrtausendwende begannen Erwachsenencartoons langsam, queere Figuren zu zeigen. Das Problem: Sie waren oftmals stereotypisiert und als Witz gedacht. Cartoons wie «Queer Duck» und «Drawn Together» gaben Queerness zwar eine Bühne, mit dem Preis aber, dass Stereotypen verstärkt und Figuren übersexualisiert wurden. Als Teenager halfen mir diese Cartoons dennoch, meine Sexualität zu hinterfragen und starteten eine lange Selbstfindungsreise. Ich erinnere mich gut daran, wie sehr mich Xandir und sein Outing faszinierten; ich sah zum ersten Mal jemenschen im Fernsehen, der offen schwul war. Aber ich sah eben auch, wie der Cartoon einen Witz daraus machte.

Die Cartoons konnten dennoch zentrale Probleme der Community, wie das Coming Out und Diskriminierung zumindest oberflächlich thematisieren. Im Nachhinein muss ich aber auch sagen, dass sich die offene Repräsentation so ziemlich auf schwule cis Männer begrenzte – Ausnahmen bestätigen die Regel – und Gender fast nie ein Thema war. Auch waren queere Themen in Cartoons für Kinder praktisch abwesend.

(Fast) queere Cartoons

Mit den 2010ern änderte sich dies mit den ersten Cartoons, die Queerness offen zeigten oder von Queers geschrieben wurden. Obwohl queere Figuren dadurch weniger stereotypisiert wurden, fasste mensch Queerness oftmals mit Samthandschuhen an oder die Figuren wurden von ihren Macher*innen erst später geoutet.

Produzierende wollten offen gelebte Queerness noch immer nicht zeigen, aus Angst vor Profitverlust, weshalb sich Korra und Asami («Die Legende von Korra») am Ende nicht küssten, sondern nur Händchen hielten.

Ein Cartoon, der für mich zwar queer war, dies aber nicht wirklich zeigte, war «Adventure Time». Ich war schon über 20, als ich den Cartoon entdeckte und er wurde schnell zu meiner Komfortserie. Obwohl viele Queers an dieser Serie arbeiteten, war bis zum Schluss kein Charakter offen queer. Gemäss einigen Synchronsprecher*innen wollte mensch so verhindern, dass die Serie in Ländern, wo Queerness illegal ist, verboten wird. Ein Kuss am Ende der Serie brach diese Regel, und damit auch gleich das ganze Internet – und brachte mich vor Glück zum Weinen. Von ihren Fehlern gelernt haben die Erschaffenden jedoch: Die Spin-Offs zeigen queere Beziehungen und outen BMO als genderlos.

Alle sind queer: Steven Universe

Dann kam Steven Universe, revolutionierte queere Repräsentation in Cartoons und eroberte mein Herz gleich mit. Die Serie von Rebecca Sugar, selbst non-binär und bisexuell, zeigte zum ersten Mal queere Hauptcharaktere, deren Queerness ein Teil von ihnen war, nicht aber im Mittelpunkt stand. So fand die erste queere Hochzeit in einer animierten Serie statt und Gendervielfalt wird auf eine Art erklärt, die verständlich ist. Ich begann damals gerade mein Studium, als ich die Serie startete – und mit ihr auch gleich meine Genderreise. Die Erklärungen resonierten mit mir und irgendwie konnte ich mich sehr gut mit den non-binären Figuren identifizieren; ich fühlte mich verstanden. Das Problem: viele dieser Figuren waren Aliens, keine Menschen. Dennoch zeigte «Steven Universe», dass auch ein queerer Cartoon erfolgreich sein kann und ebnete den Weg für weitere Serien mit queeren Protagonist*innen, auch dank Streaming-Plattformen.

2020: Endlich queere Protagonist*innen

Streaming erlaubt es viel eher, queere Figuren auf diverse Art zu zeigen. So stellte Disney 2020 das erste Mal eine Regenbogenfamilie vor («Duck Tales») und in «The Hollow» outeten sich gleich zwei Hauptfiguren. 

Das Schöne daran: Die Queerness der Figuren wird akzeptiert und nicht hinterfragt. Sie zeigen eine Lebenswelt, in der Queerfeindlichkeit nicht existiert.

Eine Serie, bei dem dies besonders offensichtlich wird, ist «Owl House» («Willkommen im Haus der Eulen»): Die Protagonistin ist bisexuell – endlich bisexuelle Repräsentation –, es gibt eine non-binäre, transmaskuline Figur, die korrekt gegendert wird und es ist eine glückliche Regenbogenfamilie zu sehen.

Erste Trans-Hauptfigur

Was bisher fehlte, wurde in «Dead End» nachgeholt: Die erste Transfigur als Protagonist. Auch hier wird das Trans-Sein von Barney nicht hinterfragt oder ihm abgesprochen. Vielmehr ist es von Anfang an ein Teil von ihm, definiert ihn aber nicht. Barney ist zufrieden mit sich; er schaut in der ersten Episode in den Spiegel, lächelt und erlebt Euphorie. Queere Themen beschäftigen ihn zwar, doch fliessen sie natürlich in die Hauptgeschichte ein.

Leider wurde «Dead End», wie auch andere queere Cartoons, frühzeitig abgesetzt. Ein ähnliches Schicksal teilte auch «Owl House», welches überstürzt zu einem Ende kommen musste. Trotz allem haben es queere Cartoons immer noch schwieriger, ihre Geschichte zu Ende zu erzählen.

Dies liegt wohl an dem Glauben, dass Queerness nicht mainstream-fähig sei und am politischen Klima Amerikas, das immer mehr nach rechts rutscht und den Serien Indoktrination und Wokeness vorwirft. Umso wichtiger bleiben Cartoons wie «Bluey», besonders für Kinder und Jugendliche, denn sie zeigen, wie Queerness gelebt werden kann und schaffen Verständnis. Sie unterstützen ausserdem die Selbstfindung und sind ein Safer Space für all diejenigen, die einen Ausweg aus der queerfeindlichen Realität suchen. Zumindest war das für mich so, und dafür werde ich Cartoons für immer dankbar sein.

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