Warm eingekuschelt auf dem Sofa sitzend verfolge ich die Handlung von «Happiest Season». Diesen Film habe ich mir seit September aufgespart. Ja, September! Bei mir kann die Adventszeit gar nicht früh genug beginnen. Ich liebe es, mit meiner Mutter Weihnachtskekse zu backen, mit meinem Vater Schlittschuh zu fahren, mit Kolleg*innen Weihnachtsmärkte zu besuchen und kitschige Filme anzuschauen.
Gläubig bin ich nicht, trotzdem übt diese Zeit eine solche Beruhigung auf mich aus, dass ich nicht anders kann, als mich zwölf Monate lang auf die Adventszeit zu freuen. Umso faszinierender finde ich es, wenn jedes Jahr aufs Neue meine anfänglich riesige Vorfreude mit jedem Tag, dem wir den eigentlichen Festtagen näherkommen, mehr und mehr dahinwelkt.
In all den Weihnachtsfilmen sitzt am Schluss die ganze Familie in Frieden am festlich gedeckten Esstisch und verströmt eine solche Glückseligkeit. «Happiest Season» ist dafür ein gutes Beispiel. Im Film hat die Familie am Ende scheinbar alle Unstimmigkeiten und Probleme aus dem Weg geräumt und geniesst in tiefer Verbundenheit die Nähe der Liebsten um sich.
Wieso fühlten sich die Feste mit meiner Verwandtschaft nie so an? Wieso konnte ich die Zeit nie einfach geniessen wie die Menschen in all diesen Filmen? Und wieso verspürte ich auf dem Nachhauseweg jedes Mal so eine tiefe Trauer und Enttäuschung?
Ich habe den Kontakt zu meinen Verwandten vor mehreren Jahren abgebrochen und bereue diese Entscheidung an den wenigsten Tagen. Wenn mich aber doch mal Zweifel erfassen, ist es meistens in der Adventszeit. Der Dezember wird als Zeit der Nächstenliebe vermarktet und im Mittelpunkt steht stets die Familie. Das macht diese Zeit nicht einfacher, vor allem wenn die Eltern und Geschwister mit der Verwandtschaft oder den Familien der Beziehungspersonen feiern und mensch allein zu Hause ist. Es ist also nicht besonders verwunderlich, dass ich zwar die Adventszeit, jedoch nicht die eigentlichen Festtage liebe.
Der Wunsch nach genau einem solchen Familienfest, wie in den vielen Weihnachtsfilmen dargestellt, ist bei mir bis heute nicht erloschen. Umso schöner war es, als dieses grosse Bedürfnis im letzten Jahr mehr durch Zufall zum ersten Mal in Erfüllung ging.
Meine Kolleg*innengruppe und ich hatten Lust zu wichteln und wollten die Geschenke noch vor den Festtagen verteilen. Da wir jedoch vor dem 24. kein Datum fanden, wurde aus dem Wichteln ein Weihnachtsfest. Jede Person kam so, wie sie es wollte, ob gestylt mit Glitzer oder chillig in Trainerhosen. Wir kochten zusammen und genossen über mehrere Stunden die zubereiteten Mahlzeiten und während dem Geschenke-Verteilen wurde mir plötzlich bewusst, dass ich eine weihnachtsfilmwürdige Familie direkt vor meiner Nase hatte. Meine queere Wahlfamilie.