Hier findest du Teil 2 in englischer Originalsprache

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Alle queeren Individuen haben ihre eigene, einzigartige Reise der Selbstfindung. Meistens hält diese Reise ein Leben lang an, da Wachstum, Veränderung und neue Erfahrungen uns in unserer Identität fortlaufend prägen. Da wir jedoch alle unweigerlich irgendwo anfangen müssen, kann sich das Hinterfragen und Ausprobieren der eigenen Identität anfangs ziemlich überfordernd anfühlen. Zudem kann es in einer heteronormativen Gesellschaft emotional schwer sein, Schritte in Richtung Erforschung des eigenen Innern zu unternehmen. Obwohl solche Dinge mit Zeit und Erfahrung besser werden, ist es auch schön, diese Fortschritte hervorzuheben. In diesem Sinne möchten wir hier einige frühere Erfahrungen beleuchten, die direkt von den Betroffenen selbst mitgeteilt wurden. In anonymen Interviews mit internationalen queeren Jugendlichen haben wir einige Gedanken und Geschichten aus unserer queeren Jugendzeit zusammengetragen.

Dies ist der zweite Teil des Interviews, der persönliche Beziehungen und Schlüsselmomente auf unserer Reise erforscht und dabei über die Bedeutung von gemeinsamer Erfahrung und Community reflektiert.

4. Frage: Was war etwas, das dir bei der Erkundung deiner Identität geholfen hat?

„Dass ich nicht allein war. Ziemlich früh in der Realisation, dass ich möglicherweise queer war, wechselte ich an eine Schule, die eine ziemlich grosse LGBTQIA+ Community hatte. Dort fühlte ich mich sicher, willkommen und zuhause. Ich hatte das Gefühl, dass ich über meine Erfahrungen mit Menschen sprechen konnte, die mich so akzeptierten, wie ich bin.“

„Ich habe mich nie wirklich wohl damit gefühlt, mich selbst als hetero zu sehen und habe mich lange Zeit nur zu Menschen hingezogen gefühlt, weil das von mir erwartet wurde. Als ich schliesslich meine queere Identität erkannte und akzeptierte, war das an sich schon sehr beruhigend, denn es brachte eine Lösung für diesen inneren Konflikt, den ich jahrelang in Bezug auf die Fähigkeit hatte, mich überhaupt zu Menschen hingezogen zu fühlen. Ausserdem fühlte ich mich in einer Beziehung mit einer Person des gleichen Geschlechts einfach wohl und am richtigen Platz.“

„Ehrlich gesagt, online mit Freunden zu sprechen, die mir versichert haben, dass ich mich nicht als etwas Bestimmtes labeln muss und dass es in Ordnung ist, einfach nur zu wissen, dass ich nicht ganz hetero bin. Dass ich mir nicht ein Label überstülpen muss, was ich denn genau sei. Ich habe das Gefühl, dass mensch dadurch sofort in eine Schublade gesteckt wird.“

„Ehrlich gesagt, eigentlich gar nicht so viel. Es war wirklich nervenaufreibend und überhaupt nicht lustig. Das Einzige waren die anderen queeren Mädchen an der Schule, sie waren wirklich hilfreich und geduldig.“

“Dass viele andere Menschen genau denselben Prozess durchgemacht haben. Der Austausch hat extrem geholfen.”

5. Frage: Hast du eine bestimmte Erinnerung oder ein bestimmtes Erlebnis, bei dem du zum ersten Mal etwas Neues über dich selbst herausgefunden hast?

„Ich würde sagen, eine bestimmte Erinnerung ist die Zeit, nachdem eine enge Freundin und ich nicht mehr befreundet waren. Ich sprach mit meiner besten Freundin über sie und fragte: „Glaubst du, ich mochte sie?“ Ich weiss nicht, sie hat mir einfach zugehört und ich glaube, das war das erste Mal, dass ich meine Sexualität in Frage gestellt habe. Aber trotzdem war es nicht wie eine Offenbarung oder so. Es geschah eher im Laufe einiger Jahre; ich entdeckte und verleugnete mich und entdeckte mich dann wieder.“

“Eine Erinnerung meines ersten Kusses mit jemenschem vom gegenteiligen Geschlecht. Nach dieser ersten Erfahrung war mein erster Gedanke: “Nice, ich bin nicht queer” (und nicht: “Krass, das war mein erster Kuss”). Im Nachhinein fand ich diesen damaligen Gedanken sehr spannend, haha.”

6. Frage: Wenn du mit den Erfahrungen, die du jetzt hast, etwas zu deinem jüngeren Ich sagen könntest, was wäre es?

„Ich würde mir selbst raten, mich als queere Person freier auszudrücken und keine Angst zu haben, Dinge auszuprobieren oder mit Leuten darüber zu sprechen. Ich denke, wenn mensch ein bisschen offener damit umgeht, kann mensch viele positive Erfahrungen machen und sich akzeptierter und willkommener fühlen; ausserdem findet mensch so schneller die richtigen Leute.”

„Ich würde ihr sagen, dass sie sich selbst lieben soll. Und dass, obwohl damals niemensch für sie da war, ich jetzt für sie da bin.“

„Du darfst deine eigene Queerness erforschen und solltest das auch. Bitte verdränge diese Gefühle nicht, sie werden dich nur einholen.“

„Ehrlich gesagt, dass du es einfach gelassen nehmen und dir keine Gedanken darüber machen sollst. Wenn du jung bist und deine Sexualität herausfinden musst, ist das echt viel, weil du ja auch noch reifst. Schlussendlich ist es nicht so deep, wie es vielleicht scheint. Du solltest nur nicht zu viel darüber nachdenken und dich nicht verwirren lassen.“

Weil aus anderen Geschichten und Hintergründen so viel gelernt werden kann, ist sich zu öffnen und persönliche Erfahrungen voneinander zu hören ein Schlüsselfaktor für Fortschritt innerhalb der Community. In Zeiten, in denen wir uns verloren oder verwirrt fühlen oder mit unserem Selbstwertgefühl kämpfen, ist es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass mensch nicht allein ist und dass es Leute gibt, die verstehen, wie mensch sich fühlt. Viele von uns unterschätzen die Wirkung, die unsere Geschichten auf andere haben können. Dieser Artikel soll zeigen, dass die meisten von uns in Zeiten der Not nach Vertrautheit und Bestätigung im eigenen Umfeld suchen. Er beweist, dass unsere Geschichten nicht nur ein wichtiger Teil unserer eigenen Reisen sind, sondern auch die Kraft haben, die Menschen um uns herum zu beinflussen und zu unterstützen.

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