Kleiner Disclaimer zum Start: Ich gebe mir sonst grosse Mühe, meinen Aktivismus positiv und meine Kritik konstruktiv zu halten. Aber auch wenn ich das grundsätzlich für den Way to go halte, ist das keiner dieser Texte – jetzt ist es mal an der Zeit für mich, auf den metaphorischen Tisch zu hauen. Denn liebe Mitmenschen, ich bin wütend und habe auch allen Grund dazu. Ich bin wütend, dass Menschen scheinbar die Zeit und Energie haben, Abstimmungen über ein Gender-Stern-Verbot zu organisieren. Denn auch wenn es die Zeit und Energie, die ich in die Gleichstellung und das Wohlbefinden von uns Queers investiere, nicht direkt zunichte macht, bedeutet es doch auch, dass der Effekt davon irgendwie kleiner wird. Dass es Menschen gibt, die direkt gegen das arbeiten, für das ich stehe – nämlich, dass jede*r so akzeptiert wird, wie sie*er ist.
Ich bin wütend, dass die Frage einer Studienkollegin, ob ich single sei, mich (Teil eines queerplatonischen Duos for life) kalt erwischt. Und dass ich danach automatisch die Schuld bei mir suche: Meine Beziehungsform ist eben ungewöhnlich und die Frage nicht – ich müsste eigentlich eine Antwort bereit haben, auch wenn das Zeit, Energie und einige Nerven meinerseits kosten würde. Auf meine Kollegin kann ich nicht wütend sein, sie trifft keine Schuld. Aber mich auch nicht. Und im Gegensatz zu ihr trage ich die Kosten jedes einzelne Mal.
Ich bin wütend, dass ich Diskriminierung nur so nennen darf, wenn ich eine Lösung dafür bereithabe. Dass Menschen die cis und hetero sind zu mir als Queer schauen, um die Probleme der Gesellschaft zu lösen, als wären es meine persönlichen. Als würde ich nicht schon genug darunter leiden, sondern hätte auch noch die Verantwortung dafür. Ich bin immer für Arbeit mit Betroffenen. Ich bin allerdings nicht dafür, die Betroffenen die ganze Arbeit alleine machen zu lassen.
Ich bin wütend, dass ich vor lauter konstruktiven Formulierungen und ja niemenschen vor den Kopf stossen Wollen (die Mehrheit muss ja irgendwie ins Boot geholt werden), manchmal vergesse, dass es völlig okay ist, wütend zu sein. Ich darf Diskriminierung scheisse finden – Punkt. Auch wenn die Wut nicht angenehm ist, lässt sie sich weder leugnen noch vermeiden. Denn daraus gewinne ich viel Energie, mich dafür einzusetzen, was mir wichtig ist.
Richtig schwierig wird es dann, wenn ich keine Wut mehr spüre – auch wenn ich gerade diskriminiert werde. Es ist so einfach wegzuschauen, wenn mich etwas nicht wütend macht. Manchmal muss ich mir auch erlauben, wegzuschauen. Aber wie gesagt, wir haben zu tun. Und ich möchte etwas verändern, für das kämpfen, was mir wichtig ist. Und das geht eben auch dank dieser Wut. Denn wenn ich vergesse, dass es legitim ist, wütend zu sein über den Zustand unserer Gesellschaft, vergesse ich, dass sich etwas ändern muss. Und dass es dazu mich und meine Energie braucht. Also: Bleibt wütend und nutzt das für euch.