Am 30. Juni fand eine Lesung von Anna Rosenwasser in musikalischer Begleitung des Pianisten Simon Hehlen statt. Der Event war etwas ausserhalb von Zürich in einem Mehrgenerationenhaus, in dem auch Regenbogenfamilien einen Ort zum Leben gefunden haben. Das Haus hat einen grossen Garten, in dem die Bewohnenden ihr Gemüse anbauen und ein Baumhaus für alle Kinder und Kindgebliebenen. Dort fand nun also die Lesung von Anna Rosenwasser statt. Sie las Texte aus ihrem Rosa Buch vor. Diese sind meistens relativ kurz und bilden entweder Erlebtes ab oder Dinge, die Anna wütend machen. Simon Hehlen spielte zwischen den Texten seine Improvisationen auf dem Klavier. Das unterlegte das Gesagte von Anna nochmals mit einer ganz anderen Ebene der Emotionalität. Simon erklärte auch, dass er stets das spiele, was ihm in diesem Moment gerade in den Sinn kommt. So spielte er etwa, als in einem Text das Thema Geburtstag aufkam, im Klavierstück danach sehr subtil die Melodie von Happy Birthday, was mehrfach für Lacher sorgte.

Ich persönlich fand die Lesung auch deswegen schön, weil ich Queers in fast jeder Altersgruppe treffen konnte. Es waren Menschen da, die noch etwas jünger waren als ich und Menschen, die eher im Alter meiner Grosseltern waren. Ich fand es wunderschön zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und Sicherheit sich beispielsweise das lesbische Paar, das bereits pensioniert war, an diesem Ort wohlfühlen konnte. In einem ziemlich gut geschützten Rahmen, wo sich alle offen begegnen konnten. Für mich war es schön zu sehen, dass es in jedem Alter queere Menschen gibt, denn nicht alle Alter sind in den Medien oder auf der Strasse gleichermassen präsent. Schon nur deswegen braucht es solche Events. An die Lesung von Anna Rosenwasser kam ich aber wegen einer anderen Autorin. Wegen Christina Caprez. Ich habe sie durch ihr neues Buch «Queer Kids» kennengelernt, das im November dieses Jahres erscheint. Darin schrieb sie verschiedene Porträts von Kindern und Jugendlichen, die queer sind. Die Porträts handeln von einem 10-jährigen Mädchen, das jeweils einen queeren Treff besucht, von dem schwulen Jugendlichen, der sich wegen seines Umfelds nicht outen kann, und von meiner Person, die den queeren Treff des 10-jährigen Mädchens organisiert.

Im Buch ist eine grosse Bandbreite an wunderbaren Menschen abgebildet. Über dieses Projekt durfte ich Christina Caprez kennenlernen, und sie hat mich und die anderen «Kids» des Buches an die Lesung von Anna eingeladen, denn sie wohnt in diesem bereits erwähnten Haus mit ihrer Familie. Und ich konnte ein paar der «Queer Kids» an der Lesung wieder treffen.

Anna Rosenwasser erzählte immer wieder Hintergrundgeschichten zu den Texten, die sie vorlas. So zum Beispiel auch, wie sie den Pianisten Simon kennengelernt hatte. Dieser hatte nämlich mit ihr über Instagram eine Diskussion über Labels begonnen, doch Anna hatte an diesem Abend Kopfschmerzen und wollte den Austausch am nächsten Tag weiterführen. Deswegen schickte Simon ihr kurzerhand ein paar Sprachnachrichten mit Entspannungsmusik auf dem Klavier. Und das war der Beginn ihrer Zusammenarbeit. Und nun waren wir alle da in diesem Haus. Anna Rosenwasser, die Simon Hehlen über die Entspannungsmusik kennengelernt hat, Christina Caprez, die Anna bereits kannte, weil sie einen Kommentar für das Buch «Queer Kids» geschrieben hatte und ein paar von uns jungen Menschen, die Christina Caprez und einander ebenfalls durch das Buch kennenlernen konnten. Ein Geflecht aus queeren Menschen aus der ganzen Schweiz, die sich irgendwie alle über Umwege kannten. Wie so oft.

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